Seelenverwandte: GANNI und Polestar
Das geteilte Bedürfnis, Konventionen über Bord zu werfen, hat Polestar und die dänische Modemarke GANNI im Rahmen der Copenhagen Fashion Week zusammengebracht. Wir haben mit Nicolaj Reffstrup, dem Gründer von GANNI, über moralische Verpflichtungen, innovative, kohlenstoffarme Lösungen und darüber gesprochen, wie es ist, sich als nicht nachhaltig zu outen.
Wie hat GANNI begonnen?
Wir übernahmen GANNI im Jahr 2009 von einem guten Freund, , der eigentlich eine Kunstgalerie betrieb und im Jahr 2000 mit GANNI Kaschmir-Strickware als Nebenerwerb verkaufen wollte. Ursprünglich war das Ganze nur als eine Art Hobby-Projekt gedacht und ich wurde, ehrlich gesagt, nur durch Zufall involviert. Meine einzige Bedingung war, dass unser erklärtes Ziel die Schaffung einer internationalen Marke mit Kopenhagen als Ausgangspunkt sein sollte.
Was ist die Essenz eurer Marke?
GANNI ist vielmehr eine Geisteshaltung als eine bestimmte Stilrichtung. Sie strotzt nur so von Persönlichkeit und hat ihre Ecken und Kanten. Uns war es schon immer ein Anliegen, dass die Frau die Marke trägt, und nicht umgekehrt. Wir werden oft in die Kategorie der „Smart Luxury” eingeordnet: zeitgemäße Mode mit einem qualitativ hochwertigen Produkt zu einem fairen Preis. Diese Geschäftsphilosophie ist tief in unserer Kopenhagener Tradition verwurzelt, die wir unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung und einer Tech-Komponente neu definieren.
Sie glauben, dass es Ihre moralische Verpflichtung ist, jeden Tag ein bisschen besser zu werden. Wie setzen Sie diesen Anspruch im Geschäftsalltag um?
Wir haben uns noch nie als eine nachhaltige Marke bezeichnet,s denn unser Dasein als eine Modemarke, die vom Konsum lebt, sehen wir als grundsätzlichen Widerspruch zum Nachhaltigkeitsgedanken. Nichtsdestotrotz empfinden wir es als unsere moralische Verpflichtung, unsere Arbeit jeden Tag ein bisschen besser zu machen, und diese Bemühungen als das Verantwortungsbewusstsein von GANNI zu bezeichnen. Unser großer Traum ist es, eines Tages eine klimaneutrale Kollektion präsentieren zu können, die der Umwelt keinen Schaden mehr zufügt, und auf diese Weise gerade durch Konsum einen positiven Beitrag zu leisten.
Können Sie mir mehr über Ihre Initiative „Responsibility Gameplan” erzählen?
Unser Responsibility Gameplan steht ganz im Zeichen unseres Anspruchs, die absoluten Kohlenstoffemissionen bis 2027 um 50% zu senken. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel, das sich auf alle Bereiche unteres Unternehmens erstreckt – und dazu braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Einmal im Jahr berichten wir in unserem Verantwortungsbericht über unsere Fortschritte, um Rechenschaft vor uns selbst abzulegen.
Was ist für die heutige Modebranche das größte Hindernis auf dem Weg in Richtung nachhaltige Innovationen?
Biobaumwolle allein wird die Welt nicht retten. Wir brauchen innovative und kohlenstoffarme Lösungen, um unsere Reduktionsziele erreichen zu können. Im technischen Bereich, aus dem ich ursprünglich komme, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man solche Herausforderungen in der Regel mit unternehmenseigenen Forschungs- und Entwicklungsteams angeht. Die Modebranche kennt diese Tradition nicht – und genau deshalb sind wir absolut planlos, wenn es um innovative Alternativen zu kohlenstoffintensiven Materialien und Produktionsprozessen geht. Glücklicherweise ist hier gerade sehr viel im Umbruch und gerade im Bereich Textilien gibt es viele Wegbereiter, die zunehmend auch im Markt präsent sind. Bei GANNI haben wir die Initiative „Fabrics of the Future” ins Leben gerufen, um mehr in Innovationen zu investieren und diesen auch allgemein einen höheren Stellenwert einzuräumen. Und so haben wir uns bereits mit ungewöhnlichen Materialien, angefangen beim Pilzleder bis hin zu Stoffen aus Bananenabfällen, auf den Markt gewagt.
Wie können wir das Bewusstsein unserer Kundinnen und Kunden für die Bedeutung von Kreislaufwirtschaft und Transparenz stärken?
Das Verantwortungsbewusstsein steht im Zentrum unseres gesamten Handelns – angefangen bei der Innenraumgestaltung unserer Geschäfte bis hin zu den Marken, mit denen wir zusammenarbeiten. In diesem Sinne ist es das Herzstück unseres Modus Operandi und schlägt sich auch in unserer Kommunikation nieder. Die Markenwelt wie die Presse haben die wichtige Verantwortung, über die Herausforderungen unserer Zeit zu sprechen und gangbare Wege aus dem Dilemma aufzuzeigen – denn nur so können wir alle gemeinsam unsere Kundinnen und Kunden zu besseren und informierteren Entscheidungen motivieren. Diesem Anspruch widmet sich auch unsere Plattform Ganni.lab auf Instagram, wo wir allen Interessierten Rede und Antwort stehen.
Was ist derzeit die größte Hürde der Modebranche in puncto Transparenz? Und welche Möglichkeiten eröffnen sich auf dem Weg hin zu größerer Transparenz?
Die Lieferketten der Modeindustrie sind mit bis zu 10 verschiedenen Zulieferern pro Produkt überwältigend komplex. Größere Rückverfolgbarkeit kann nur durch einen wirklichen Wandel unserer Branche erreicht werden. Und gerade die Rückverfolgbarkeit ist ein sehr arbeitsintensives Unterfangen: Derzeit haben wir ein 6 Mitglieder starkes, sogenanntes Responsibility-Team, das sich vorrangig mit sozialer Unternehmensverantwortung und Transparenz beschäftigt. Ein Mitglied dieses Teams ist ausschließlich für die Rückverfolgbarkeit zuständig. Dieser Anspruch sollte den Marken eine solche Investition wert sein. GANNI bezieht seine Tier-1- und Tier-2-Zulieferer aus dem öffentlich zugänglichen Open Supplier Hub und leistet damit einen weiteren Beitrag zu größerer Transparenz und besserer Zusammenarbeit in unserer Branche.
Warum würden Sie gern mit einer Marke wie Polestar zusammenarbeiten?
Polestar hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 das erste wirklich klimaneutrale Fahrzeug auf den Markt zu bringen – und das hat mich schon immer fasziniert, denn es ist unserer Vision einer Mode-Kollektion, die keine Umweltschäden anrichtet, sehr ähnlich. Ich feiere alle Unternehmen, ob groß oder klein, die ihre Verantwortung ernst nehmen. Die Situation ist bereits so verfahren, dass wir einfach irgendwo anfangen müssen, um jeden Tag kleine Fortschritte zu erzielen. Ich freue mich sehr über die Gleichgesinnten in der Branche, die diesen Wandel aktiv mittragen.