Fünf Fragen an Arlena Amiri
Wir haben mit Arlena Amiri, Head of Polestar 0 Operations, darüber gesprochen, wie man große Pläne in konkrete Ziele verwandelt – sowie darüber, dass es nicht mehr zeitgemäß ist, bei einer nachhaltigen Revolution abzuwarten und untätig zuzuschauen.
Sie wurden kürzlich zur Leiterin des Bereichs Polestar 0 Operations ernannt. Herzlichen Glückwunsch! Können Sie uns mehr darüber erzählen?Nachdem ich die Abteilung Advanced Engineering aufgebaut und die Betriebsabläufe dort mit unseren erstklassigen Experten und Führungskräften auf Vordermann gebracht hatte, übernahm ich beim Projekt Polestar 0 eine ähnliche Aufgabe. In dieser neuen Funktion möchte ich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere Forschungsverantwortlichen und Partner bis zum Jahr 2030 ein klimaneutrales Auto entwickeln können. Einfach gesagt heißt das, dass wir sämtliche Emissionen aus jedem Aspekt unserer Fertigungsprozesse eliminieren werden.Für mich als Ingenieurin ist das natürlich ein durch und durch technisches Projekt. Dazu müssen wir sorgsam alle Prozessschritte planen, Emissionen ermitteln, Herausforderungen verstehen, alte Wahrheiten und Gewohnheiten infrage stellen und verschiedene Lösungen zum Beseitigen von Emissionen finden. Es geht darum, den Kern des Problems zu verstehen, kreativ zu sein und verschiedene Hypothesen zu testen, um die Lösungen zu finden, von denen wir schon heute wissen, dass es sie gibt.Unter dem Aspekt der Vielfalt und Inklusion erfordert dieses Projekt vor allem Offenheit, Bescheidenheit und Entschlossenheit. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der branchen- und fachübergreifenden Zusammenarbeit mit gleichgesinnten, hartnäckigen und engagierten Partnern.Wie sieht Ihre tägliche Arbeit im Vergleich dazu, wie andere sie sich möglicherweise vorstellen, wirklich aus?Was ist Advanced Engineering oder Innovation überhaupt? Was bedeuten null Treibhausgas-Emissionen? Und wie kann man das berechnen? Diese und ähnliche Fragen werden mir oft gestellt. Manche meinen, dass es bei meiner Arbeit nur um Workshops, Präsentationen oder das Entwickeln von Strategien und Zukunftsdenken geht – was natürlich zu einem gewissen Teil auch zutrifft. Aber das ist eben längst nicht alles. Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem sich die Kreativität ungehindert entfalten kann. Ich bin sehr praktisch und ergebnisorientiert veranlagt. Für mich war es schon immer wichtig, das „große Ganze“ in konkrete Ziele und Vorgaben aufzuschlüsseln und in klare Kategorien für das Was?, Warum?, Wie?, Wann? und Wer? zu untergliedern.Obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass es unverzichtbar ist, eine klare Vision zu haben, halte ich es mindestens für genauso wichtig, Innovationen umzusetzen, sobald entsprechende Verbesserungsmöglichkeiten verfügbar sind. Die Ehrlichkeit, die Dringlichkeit und die Entschlossenheit des Projekts Polestar 0, etwas zu verändern, ohne die kostbare Zeit mit Kompromissen oder Ausreden zu vergeuden, machen mir Mut.An welchen Aufgaben arbeiten Sie und das Polestar 0 Team gerade?Derzeit befindet sich das Projekt in einer intensiven Forschungsphase. Dabei untersuchen wir gemeinsam mit unseren Forschungsleitern und Partnern mögliche Lösungen zum Beseitigen von Emissionen, die in den Fertigungslinien unserer Partner festgestellt wurden.Beim Projekt Polestar 0 haben wir keine Zulieferer, sondern Partner. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn sie unterstreicht die gemeinsamen Bemühungen, die Emissionen nach dem „Cradle-to-Grave“-Prinzip* zu beseitigen. Zudem arbeiten wir kontinuierlich mit Experten verschiedener Disziplinen zusammen, um Lückenanalysen durchzuführen und sicherzustellen, dass wir dafür die richtigen Partnerschaften und Schwerpunktbereiche gebildet haben. Da wir keine Zeit verlieren dürfen, ist diese strenge Konzentration und Disziplin unerlässlich.Was hat sich in den letzten zehn Jahren in Ihrem Arbeitsgebiet getan oder grundlegend verändert?Wie bei vielen anderen Ingenieurinnen und Ingenieuren begann meine berufliche Laufbahn in der Ära der Verbrennungsmotoren. Ich sehe diese Erfahrung aber nicht als Nachteil, sondern als äußerst wertvoll und nützlich an, während wir den Wandel zum Zeitalter der Elektromobilität mit immer größeren Schritten vollziehen. Wenn wir einen neuen Weg in eine vollelektrische und klimaneutrale Zukunft beschreiten wollen, müssen wir dafür auch unsere bisherige Geschichte verstehen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich bei Verbrennungsmotoren Kolbenbrüche analysierte, mich für neue Turbo-Technologien begeisterte oder Drehmoment- und Geschwindigkeitswerte berechnete, um zu ermitteln, welche Motorgröße sich am besten für einen bestimmten Fahrzyklus eignen würde. Und diese Bemühungen standen bereits unter dem Ziel, die Kraftstoff-Effizienz zu optimieren und den Carbon Footprint zu minimieren. Dass bei solchen Umbrüchen nicht immer alles reibungslos abläuft, ist klar und im Grunde genommen ein gutes Zeichen, denn Reibung tritt bekanntlich nur dort auf, wo sich wirklich etwas bewegt.Was lässt Sie hoffnungsvoll in die Zukunft blicken?In den letzten Jahrzehnten haben uns viele bedeutende Innovationen gezeigt, wie stark wir sein können, wenn wir uns gemeinsam für das Wohl unseres Planeten einsetzen. Und jetzt bin ich angesichts des starken Engagements unserer Partner beim Projekt Polestar 0 davon überzeugt, dass wir gemeinsam dazu bereit sind, Berge zu versetzen. Malcolm X sagte einst: „Wann, wenn nicht jetzt? Wer, wenn nicht ich?“ Und ich finde, das bringt es hervorragend auf den Punkt. Die Welt ist an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr cool ist, untätig zuzuschauen, auf bessere Zeiten zu warten und darauf zu hoffen, dass andere die Initiative ergreifen. Jeder von uns muss dazu beitragen, damit wir unseren Stein auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft gemeinsam ins Rollen bringen können.* Cradle-to-Grave oder auf Deutsch „Von der Wiege bis zur Bahre“ ist eine Bewertung, die in jeder Phase des Lebenszyklus eines Produkts dessen Auswirkungen von der Gewinnung natürlicher Ressourcen aus dem Boden und deren Verarbeitung („Cradle“) über jede nachfolgende Phase der Herstellung, des Transports und der Produktnutzung bis zur Entsorgung oder zum Recycling („Grave“) berücksichtigt.