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Nachdenken über Tabus mit dem belgischen Künstler Thibeau Scarcériaux

Design umgibt uns alle jeden Tag – und zwar gutes, genauso wie schlechtes. Es gibt aber auch Design, das uns zum Nachdenken bringt. Und das ist genau die Art von Design, auf die sich der belgische Künstler Thibeau Scarcériaux spezialisiert hat: Mit seiner Arbeit möchte er die Menschen zum Nachdenken bringen, und dazu, über Tabus zu sprechen.

Three of Thibeau Scarcériaux's designs.
Die perfekte Balance aus Kunst und Design

Thibeau Scarcériaux arbeitet in einer ehemaligen Feuerwache am Stadtrand von Antwerpen. Das Gebäude hätte 2005 eigentlich abgerissen werden sollen, ist heute aber das perfekte Studio für den aufstrebenden Künstler. Das ehemalige Feuerwehrhaus ist mit Möbeln aus den 70ern, von der Decke hängenden Fahrrädern, Röntgengeräten, in Aluminium gewickelten Lüftungsschächten und Hunderten von Glasstücken gefüllt.

Im Laufe seiner Karriere hat Thibeau Scarcériaux bereits viele Disziplinen kennengelernt: Produktdesign im Industriebereich und Möbeldesign sind für ihn keine Fremdworte. Mittlerweile hat er aber seinen ganz persönlichen Sweet Spot gefunden – den Bereich, an dem sich Kunst und Design überschneiden.

„Meiner Meinung nach werden Kunst und Design nur durch einen sehr schmalen Grat voneinander getrennt. Ich liebe beide Disziplinen, und so ist meine Arbeit genau auf diesem Grat angesiedelt: Ich möchte einzigartige Stücke kreieren, die funktional sind, aber gleichzeitig ein Beispiel für die Kunstfertigkeit des Handwerks sind“, erklärt er.

Wenn Thibeau Scarcériaux beginnt, an einem Objekt zu arbeiten, ist der Großteil der Kreativarbeit bereits erledigt – sie hat in seinem Kopf stattgefunden. Oft tüftelt er gedanklich bereits seit Monaten oder sogar Jahren an einer Idee, bevor sie tatsächlich in die Tat umgesetzt wird.

„In der Regel verbringe ich etwa 90 % der Zeit bis zur Fertigstellung eines Objekts damit, über seine Geschichte nachzudenken und brauche dann nur mehr etwa 10 % dafür, das Objekt tatsächlich zu konstruieren. Es geht tatsächlich mehr darum, herauszufinden, welchen Platz in der Welt etwas einnimmt, als darum, es zu kreieren“, sagt er dazu. „Es ist ein sehr eigenartiger Prozess. Manchmal dauert er eine Woche – aber manchmal braucht er auch Jahre.“

Designer Thibeau Scarcériaux's studio.
Profile of designer Thibeau Scarcériaux.
Kunst schafft einen Weg, über Tabus zu sprechen.
Thibeau Scarcériaux, funktionaler Designer und Künstler
Darüber nachdenken, Dinge zu kreieren und Dinge kreieren, die zum Nachdenken anregen

Der Künstler ist fasziniert von dem Konzept eines Tabus: Die meisten seiner Werke erforschen die sozialen, kulturellen oder ökonomischen Aspekte eines Tabuthemas. Durch diese Erkundung versucht er, einen Dialog herzustellen zwischen seinen Werken und den Personen, die sie betrachten – und wenn möglich auch zwischen ihm selbst und den betrachtenden Personen.

Der Künstler erklärt: „Kunst schafft einen Weg, über Tabus zu sprechen. Das Objekt fungiert als eine Art Konversationsbrücke zwischen der Person, die es betrachtet, und der Person, die es geschaffen hat. Eigentlich geht es bei der Kunst nicht um die Werke an sich sondern vielmehr um die Konversationen, die sie hervorrufen.“ 

Eines seiner neuesten Stücke, „War Chair“, ist ein Beispiel für ein durchdachtes Objekt, das zum Nachdenken anregt.

Thibeau Scarcériaux ist vom Ukraine-Krieg tief betroffen und es war diese Betroffenheit, die ihn zum sogenannten „War Chair“ inspiriert hat. Dieser aus kugelsicherem Glas konstruierte Stuhl scheint völlig nahtlos zu sein und bildet eine übergangslose Einheit. Die Homogenität wird aber dadurch unterbrochen, dass das Glas an mehreren Stellen Einschusslöcher und große Risse hat. Das Werk repräsentiert so die Fragilität des Kriegs und regt die Menschen dazu an, über die physische und emotionale Zerstörung des Kriegs nachzudenken. Er versinnbildlicht die unsichtbaren Narben, die der Krieg auf einzelnen Personen und der Gesellschaft hinterlässt.

Und der War Chair hat genau das gemacht: Unzählige Menschen wollten und wollen mit Thibeau Scarcériaux über Tabus reden. „Und damit meine ich nicht kurze Anmerkungen zum Kusntwerk, die Gespräche dauern bis zu 20 Minuten – die Menschen haben über Dinge wie diese einiges zu sagen“, erklärt der Künstler. „Und ich halte es für sehr wichtig, diesen Raum für Dialoge zu schaffen, denn sie sind es, die die Menschen zusammenbringen und vereinen.“

The War Chair by designer Thibeau Scarcériaux.
Inspirierende Flohmärkte

In der Regel verbringt Thibeau Scarcériaux viel Zeit damit, über ein Tabu oder ein Konzept nachzudenken, bevor er das damit zusammenhängede Kunswerk kreiert. Manchmal kommt aber auch zuerst das Material und erst später entsteht die Idee dafür.

Das kommt zum Beispiel vor, wenn Thibeau Scarcériaux weder einmal einen Flohmarkt besucht. Dort findet er oft Inspiration und kauft Objekte und Materialien, in denen er Potenzial sieht. Er sammelt Dinge – zum Beispiel Glas und Röntgengeräte – von denen er denkt, dass sie ihn später vielleicht dazu inspirieren, etwas Bedeutsames zu schaffen. 

Eine Zeit lang hatte er zum Beispiel rund 2.000 Quadratmeter Röntgenbilder von menschlichen Körperteilen in seinem Studio, die er auf einem ganz normalen, belgischen Flohmarkt gefunden hat, wie er uns versichert hat. Später, inspiriert durch die Black-Lives-Matter-Bewergung, kreierte er daraus eine Reihe von Objekten, die er in seiner „X-Race Collection“ zusammenfasst, welche sich um das Thema Rassismus dreht.

Für seine Ausstellung im Polestar Space in Brüssel hat Thibeau Scarcériaux alle Register gezogen.

Designer Thibeau Scarcériaux's designs in the Polestar Space in Brussels.
Die Polestar Gallery – eine Plattform für lokale Kunst- und Designschaffende

Für die Personen, die Kunst und Design schaffen, ist das Kreieren von Werken nur ein Teil der Herausforderungen, mit denen sie sich konfrontiert sehen. Unzählige Kunstwerke bekommen einfach nie die Plattform, die sie verdienen – und Polestar möchte das ändern.

Aus diesem Grund haben die Polestar Spaces in Brüssel, Antwerpen, Gent und Hasselt ihre Pforten geöffnet, um lokalen Kunstschaffenden aus verschiedenen Bereichen Raum zu geben, ihre neuesten Projekte auszustellen.

„Indem wir den Designschaffenden eine Plattform für Ihre Werke geben, hoffen wir, als Katalysator für innovative Ideen zu wirken, die Grenzen hinterfragen und ausweiten“, erklärt Femke Brouns, Head of Marketing, PR and Events bei Polestar Belgien. „Außerdem zeigt diese Initative einmal mehr den positiven Einfluss von Zusammenarbeit, um wichtige Veränderungen herbeizuführen.“

Thibeau Scarcériaux ist der erste Künstler, der von dieser Initiative profitiert und präsentiert ein Werk mit dem Namen „Reflective Vision“, welches aus Recycling-Glas und -Spiegeln hergestellt wurde. Die Installation repräsentiert eine Welt, in der künstlerischer Ausdruck und Umweltbewusstsein Hand in Hand gehen. Dabei haucht sie nicht nur den verwendeten Materialien neues Leben ein, es lädt auch zu Introspektion und Transparenz ein.

Falls Sie diesen Herbst in Brüssel sind, können Sie die Ausstellung „Polestar Gallery x Thibeau Scarcériaux: Reflective Visions“ von 25. Oktober bis 21. November im Polestar Space Brussels besuchen.

Denken Sie darüber nach.

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