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Polestar 2

Future Talk 03: Digitales Vertrauen

Bereits zum dritten Mal wurde im Polestar Space in Zürich über Zukunftsfragen diskutiert. Auf dem Podium sassen diesmal die Digitalexpertin Sarah Genner und der Psychoanalytiker Peter Schneider. Das Thema: Wie gelingt Vertrauen in einer digitalen Welt?

Was erwartet uns in der Welt von Morgen? Die Eventserie Future Talk möchte dazu beitragen, Zukunftsfragen weiterzudenken und einzuordnen. Dafür laden wir Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen ein, mit uns zu diskutieren. Nach den Themen Mobilität im öffentlichen Raum und Verzicht als nachhaltige Lösung beschäftigten wir uns in der dritten Ausgabe mit den Chancen und Risiken künstlicher Intelliegenz (KI). Wie wirken sich diese neuen Technologien auf unser Verständnis von Vertrauen aus? Verliert Authentizität künftig an Bedeutung? Oder bleibt sowieso immer «alles anders»? Die Digitalexpertin Sarah Genner und der Psychoanalytiker und Satiriker Peter Schneider stellten sich den Fragen des Moderators und des Publikums. Stephan Sigrist, interdisziplinärer Stratege und Gründer des Think Tanks W.I.R.E., führte auch dieses Mal wieder durch das Gespräch.

Mehr Technologie macht nicht unbedingt produktiver.
Sarah Genner

KI-Programme wie ChatGPT oder Midjourney sind in aller Munde. In den Medien und sozialen Netzwerken befeuert das Thema gleichermassen Wunschträume wie Weltuntergangsszenarien. Sarah Genner berät als Digitalexpertin verschiedene Firmen und fällt als Verwaltungsrätin auch selbst unternehmerische Entscheide.

Sie experimentiert gerne mit diesen neuen Tools, zieht aber sowohl bei den Chancen als auch bei den Grenzen eine massvolle Bilanz: «Wir sollten lernen, die Tools sinnvoll zu nutzen, anstatt zu diskutieren, ob Maschinen unsere Jobs stehlen», empfiehlt Genner. Nicht jeder Arbeits- und Lebensbereich muss und wird in dieser Technologie Unterstützung finden – nicht zuletzt aufgrund durchaus berechtigter Datenschutz-Bedenken, glaubt Genner. Immerhin basiert maschinelles Lernen auf dem Sammeln von Daten. Allerdings werde die momentane Angst vor digitaler Transformation von Unternehmen auch gerne mal ausgenutzt, um unangenehme Entscheidungen zu rechtfertigen, die ihren Ursprung eigentlich ganz woanders haben.

Denn Technologie ist kein Garant für produktivere Abläufe: Das sogenannte «Produktivitätsparadox in der IT» besagt, dass sich mehr Technologie und Produktivitätsgewinn ab einem gewissen Punkt oft wieder aufheben, vor allem im Dienstleistungsbereich.

Kulturpessimismus oder Begeisterung – man muss sich nicht entscheiden.
Peter Schneider

«Neben Weltuntergangsfantasien beobachte ich auch eine grosse Begeisterung», stellt Peter Schneider fest. Zu Recht, denn in einigen Bereichen liefert KI schon heute vielversprechende Ergebnisse – etwa bei der Erkennung von Tumoren in der Radiologie. Eine tolle Sache, findet auch der Psychoanalytiker Peter Schneider, der kulturpessimistischen Tendenzen grundsätzlich kritisch gegenübersteht. Wie so viele wissenschaftliche und technologische Errungenschaften werde die KI vermutlich in manchen Anwendungen ganz wunderbar und in anderen ganz schrecklich funktionieren, meint Schneider.

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Man könnte akzeptieren, dass neue Formen der Intimität entstehen.
Peter Schneider

Vor allem kritische Anwendungen sorgen derzeit immer wieder für Gesprächsstoff. So würden sich laut einem Bericht im Economist manche Menschen gerne das Schreiben eines Liebesbriefes abnehmen lassen – aber niemand möchte einen solchen Brief erhalten. «Emotionen können etwas sehr Standardisiertes und Konventionelles sein», gibt der Psychoanalytiker zu bedenken. Gerade Liebesbriefe unterliegen starken Konventionen. Emotionen als Alleinstellungsmerkmal der Menschheit anzuführen, bringe uns keine neuen Antworten, sondern führe in eine Sackgasse. Zudem schliesse man mit solchen Definitionen von Menschlichkeit gewisse Gruppen aus: «Wenn man sich mit Menschen mit Autismus beschäftigt, legt man Technikfeindlichkeit ab». Ein digitaler Avatar etwa, der ihnen bestimmte Aspekte der Kommunikation abnimmt, sei für manche Menschen auf dem Spektrum keine gespenstische Schreckensvision, sondern eine sehr hilfreiche Vorstellung.

Viel interessanter dürfte es darum sein, neue Formen der Intimität in digitalen Räumen zu suchen – anstatt sie nur der «realen Welt» zuzuschreiben.

KI wird die Welt weder retten noch zerstören.
Sarah Genner

Auch die Grenzen zwischen Wahrheit und Fake zu erkennen oder Antworten auf die grossen Fragen unserer Zeit zu finden, wird uns so schnell keine Maschine abnehmen, ist Sarah Genner überzeugt. Die mit dem Begriff der Intelligenz verbundene Erwartungshaltung halte uns zudem davon ab, die neuen Technologien sinnvoll einzusetzen. Denn es existiert nicht die eine, sondern viele mögliche Definitionen von Intelligenz. «Und die beschränken sich nicht nur auf das Finden von Lösungen», so Genner. Anstatt von «künstlicher Intelligenz» sprechen Genner und Schneider deshalb lieber von «maschinellem Lernen».

01/02

Bier bleibt analog

Dieser Sommerabend brachte uns keine endgültige Klarheit, aber sicher etwas mehr Gelassenheit gegenüber Zukunftstechnologien wie KI. Und er hat uns vor Augen geführt, wie «maschinell» vielleicht auch der Mensch manchmal funktioniert: Nach eineinhalb Stunden menschlicher Rechenleistung strömten alle zur Bar, um sich mit Bier und Weisswein abzukühlen. Bei 30 Grad im Schatten eine fast schon vorprogrammierte Reaktion …

Hier geht es zum ganzen Talk.

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