Future Fabric
Gemeinsam mit Polestar hat das Schweizer Unternehmen Bcomp ein Gewebe entwickelt, das nicht nur den Fahrzeuginnenraum, sondern auch unsere Vorstellungen von Luxus und Design nachhaltig verändern wird. Ross Kelk aus der Entwicklungsabteilung von Polestar und Per Mårtensson, CRO von Bcomp, sprachen im Polestar Space Zürich über die gemeinsame Reise von der Vision bis zur Marktreife.
Es ist schwer vorstellbar, wie aus dem Bündel Flachs, welches in der Ecke steht, ein ultraleichtes, futuristisch anmutendes Interior-Material wird. Möglich macht das die Technologie des 2003 gegründeten Fribourger Unternehmens Bcomp. Das so genannte Polestar Signature Weave kombiniert eine glatte Oberfläche mit einer gitterartigen Struktur. Das Ergebnis: ein flexibles, aber sehr robustes Material, das im Polestar 3 in verschiedenen Innenraumverkleidungen zum Einsatz kommen wird. Zum Beispiel in den Sitzschalen. Im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffverkleidungen kann damit mehr als die Hälfte an erdölbasierten Rohstoffen eingespart werden. Zudem glänzt das Material durch seine einzigartige Leichtigkeit und reduziert Vibrationen um 250 Prozent.
Ein gemeinsames Mindset
«Natürliche Materialien sind äusserst effizient, wenn sie auf die richtige Weise verwendet und eingesetzt werden» sagt Per Mårtensson, Chief Revenue Officer von Bcomp. Flachs ist eine pflegeleichte und sehr robuste Pflanze, die seit Jahrtausenden als Rohstoff für Leinen in der Textilindustrie verwendet wird. Mehr als 80 Prozent des weltweiten Bestandes werden heute in Europa angebaut.
Die Anfänge von Bcomp liegen im Skisport. Dort halfen die neuartigen Flachsgewebe, Leistung und Gewicht zu steigern und den Einsatz von erdölbasierten Kunststoffen zu reduzieren. «Als wir das Material zum ersten Mal sahen, wussten wir, dass diese Technologie perfekt zu den Zielen von Polestar passt», erinnert sich Ross Kelk, Head of Interior R&D und Industrial Program Leader des britischen Polestar-Entwicklungsteams. «Unsere Unternehmen verbanden von Anfang an dieselben Ziele, Werte und ein gemeinsames Mindset.»
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Eine neue Ästhetik
Zunächst war allerdings noch nicht klar, wie und wo das Material eingesetzt werden könnte. «Wir haben experimentiert, gespielt, verschiedene Dinge ausprobiert», erinnert sich Ross. Das gilt nicht nur für das Material, sondern auch für die gesamte Wahrnehmung von Luxus. «Klassischerweise assoziiert man als Hersteller damit exklusive Materialien wie Leder, furniertes Holz und viel Schnickschnack. Wir wollten aber von Anfang an das Material in den Vordergrund stellen und offen zeigen. Nachhaltigkeit zu einem fühlbaren, exklusiven Erlebnis machen.» So suchte das Designteam nach einer neuen Ästhetik, die diese Verschmelzung von Design, Minimalismus und Nachhaltigkeit erlebbar macht.
Vom Prototyp zur Tiefkühlpizza
Vom Handschlag bis zum ersten fertigen Produkt dauerte es allerdings mehrere Jahre. Denn der Weg vom Prototyp zur Serienproduktion ist voller Herausforderungen. «Zum einen variieren Naturmaterialien immer - kein Kirschholztisch gleicht dem anderen», erklärt Per. «Hier galt es, Variation und Qualität auf einen Nenner zu bringen.» Zum anderen ist jede Änderung im Herstellungsprozess eines Fahrzeugs mit Kosten und Risiken verbunden. «Polestar stand die ganze Zeit voll hinter unserer gemeinsamen Idee, überzeugte Zulieferer und Partner und integrierte das neue Material in die Produktionskette.»
Den aktuellen Prozess vergleicht Per (zugegebenermassen ziemlich vereinfacht) mit einer Tiefkühlpizza: «Wir liefern das gemeinsam entwickelte Grundmaterial für das Signature Weave in die Produktion. Dort wird es erhitzt und in Form gebracht.»
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Die nächste Generation
Anders als bei der Fertigpizza endet die Entwicklungsphase nicht mit dem ersten marktreifen Produkt. «Normalerweise ist die kreative Arbeit vorbei, wenn eine neue Technologie in den Produktionsprozess eingeführt wird. In unserer Zusammenarbeit ist das anders: Wir nutzen die Erkenntnisse aus dem Produktionsprozess für neue kreative Ansätze und Ideen. Wir denken sozusagen in Generationen», sagt Ross. Diverse neue Anwendungen werden bereits getestet, Performance und Nachhaltigkeit werden optimiert und der Kreislaufgedanke rückt noch stärker in den Fokus. «Das Thema Recycling wird uns in den kommenden Jahren sehr beschäftigen. Wir haben bereits bewiesen, dass es machbar ist, unsere Materialien in kleinen Mengen wiederverwertbar zu machen. Aber bis zur Massentauglichkeit ist es noch ein weiter Weg», sagt Per. Ein weiterer gemeinsamer Schritt in die Zukunft? We’ll see…